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Quelle: Nico Roller

Bahn frei für die Fledermaus

Mit zwei Prunksitzungen hat in Ersingen die heiße Phase der Fasnet begonnen. In der Festhalle gibt es Tanz, Komik, einen neuen Orden und einen emotionalen Abschied.

Das Bild ist überwältigend, die Geräuschkulisse beeindruckend: Viele Gäste haben sich von ihren Plätzen erhoben, um zu applaudieren: immer lauter, immer kräftiger und fordernder. Auch, wenn es schon spät ist, geben sie alles, um sich bei Elena Winteroll und Annika Steinbrecher zu bedanken, um die Zeit, die Mühe und die Arbeit zu würdigen, die sie zusammen mit ihren Trainerinnen Kerstin Reich und Vanessa Hummel investiert haben. Nach elf Jahren, unzähligen fantasievollen Choreografien und akrobatischen Höchstleistungen verabschieden sich die beiden Funkemariechen der Ersinger Karnevalsgesellschaft „Fledermaus“ von der Bühne. „Ihr habt Großes geleistet“, ruft ihnen Präsident Dominik Kern zu, verbunden mit zahlreichen Dankesworten und der Freude darüber, dass die beiden dem Verein auch weiterhin treu bleiben: als Teil der kleinen Garde, mit der sie bei ihrem letzten Auftritt in eine bunte Unterwasserwelt entführt haben. Mit ihm endet am Samstagabend nach rund drei Stunden das abwechslungsreiche, aufwendig in Szene gesetzte Programm, mit dem die KG Fledermaus die heiße Phase der Fasnet eingeläutet hat.

Flotten Gardetanz gibt es in der Turn- und Festhalle ebenso wie humorvolle Sketche, bissige Büttenreden und einen neuen Orden, der den Nachwuchs in den Mittelpunkt rückt. Gestaltet von Loris Drexler, zeigt er eine erwachsene Fledermaus, die ihren beiden Kindern aus einem Buch vorliest, das es seit kurzem tatsächlich gib. Der Verein hat es herausgebracht, um dem Nachwuchs die Traditionen und Aktivitäten der Ersinger Fasnet anschaulich zu erklären. Auf sie verweist auch der Orden, den Bürgermeister Thomas Maag als einer der ersten erhält. In der Festhalle nimmt der Rathauschef nur gereimte Verse in den Mund. Egal, ob es um die Sanierung des Ersinger Rathauses, den Brandschutz am Bürgerhaus, Tempo 30 oder das „Drama von der Bahn“ am Kirchgrund geht: Dem Bürgermeister fällt zu allem etwas ein, auch zur fünften Jahreszeit: „Habt Spaß und feiert sorgenlos, denn unsere Fasnet ist famos“, ruft er den Narren zu, nachdem er ihrer Lieblichkeit Svea I. (Melcher) und seiner Tollität Kevin I. (Reich) seinen Respekt gezollt hat. Vollkommen zurecht, denn das Prinzenpaar weiß ganz genau, was es in den kommenden Wochen von seinem Volk erwartet: „Schlechte Laune wird aus dem Dorf verbannt, bis auf dem Dorfplatz wird die Hex verbrannt.“

Als sie diese Worte spricht, hat Melcher ihre Krone noch. Doch das ändert sich, denn in der Festhalle geht ein Dieb um. Wie gut, dass Polizistin Elena Morlock sofort zur Stelle ist, begleitet von einem Krokodil. „Eigentlich hätten wir Kakadus kriegen sollen, aber die haben sie auf die Rote Liste.“ Schnell findet das bissige Tier den Langfinger, der sich allerdings schnell als Kaminfeger entpuppt. Der wahre Täter ist das Kasperle, das zudem eine „Wasserblubberblasenmaschine“ und ein Stirnband für den Intimbereich hat mitgehen lassen. Und wie ergeht es dem Prinzen? Der muss bei den „La Fleurs“ ein Lied über Steinhäger singen: ein mit rund 40 Volumenprozent kaum alkoholhaltiges Getränk, das in der Fasnet gern konsumiert wird. Schließlich ist der Prinz selbst Mitglied der Truppe, die ihm und seiner Prinzessin attestiert, „wahrscheinlich in Europa zur Zeit die stabilste Regierung“ zu sein. Aber Spaß beiseite: Die „La Fleurs“ können es kaum erwarten, bis die neue Kämpfelbach-App herauskommt, mit der „jeder sein individuelles Bürgermeister-Selfie“ generieren kann, ganz nach dem Motto: „Ich maag mit aufs Foto.“ Was bemerkenswert ist, gilt der Rathauschef doch als „sehr kamerascheu“. Zumindest behauptet das Stefan Reich, der als Zauberkünstler mit Petra Zimmermann eine lebenslustige Assistentin hat, die sich „Tupper Gisele“ nennt und inzwischen nicht mehr im Moulin Rouge auftreten kann. Allerdings nicht, weil sie eigentlich eine Puppe ist, sondern weil „meine Busen ist verrutscht.“

Wie gut, dass in dem ganzen Chaos wenigstens der ehemalige Präsident Dirk Steiner den Überblick behält. In der Bütt spricht er als Mann aus der Zukunft nicht nur über die Bundespolitik, sondern auch über den „Waldkindergarten ohne Wald“, den es seit kurzem im Tal zwischen den beiden Ortsteilen gibt: „2090 stehen dort Fichtenbestände und die Kinder von heute gehen in Rente.“ Kaum hat er das gesagt, betritt auch schon die große Garde die Bühne, die nicht nur einen flotten Marsch zur Musik von Lady Gaga im Gepäck hat, sondern auch einen mitreißenden Schautanz, bei dem sich alles um den King of Pop dreht, weiße Handschuhe und schwarze Hüte inklusive. Golden glitzernde Charleston-Kleider trägt dagegen die mittlere Garde. Während sie mit ausgefallenen Choreografien in längst vergangene Zeiten entführt, wirbelt die kleine Garde bei ihrem Marsch zu Schlagerhits über die Bühne.

Quelle: Nico Roller